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Unwort auf den Kopf getroffen: Anti-Abschiebe-Industrie

Mit dem Begriff „Anti-Abschiebe-Industrie“ hat die Jury diesmal den Nagel auf den Kopf getroffen: Das ist ein unflätiger, populistischer und menschenverachtender Begriff, den jede Art von Tadel verdient.

Schöpfer des Unwortes ist der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt .

Jener hat sich zunächst an der Sprache versündigt, indem er das englische Wort „Industry“ in der heutigen, falschen Bedeutung mit gleichem Wortklang verwendete. Was da als „Industry“ bezeichnet wird, ist auf Deutsch auch heute noch ein Geschäftszweig, richtig mit einem Fremdwort aus dem Französischen auch als „Branche“ bekannt und im Englischen eigentlich ein „Business“. Richtig wäre zum Beispiel: die Automobilindustrie – bei ihr handelt es sich tatsächlich um eine Industrie.

Zunächst wurde die Wortfälschung allerdings bereits von Journalisten benutzt, um zu suggerieren, dass hinter gewissen Branchen ganze Imperien stehen, „Industrien“ eben. Besonders für missliebige Branchen wurde das Wort missbraucht, etwa für die „Erotikindustrie“, „Finanzindustrie“ oder „Tourismusindustrie“, die alle keine „Industrien“ sind.

Natürlich kann man im privaten Kreis auch mal ein unflätiges Wort verwenden – zumeist ist dies ja etwas humoristisch gemeint. Aber dieses Wort kam von einem Spitzenpolitiker, der gut daran getan hätte, nachzudenken, bevor er das Wort in den Mund nahm. Denn draußen im Volk (nicht nur im Bayrischen) glauben die Menschen ziemlich viel Unsinn. Und vielleicht glauben sie auch, dass es eine „Anti-Abschiebe-Industrie“ gibt.

Tatort mit Sperma im Magen – und sonst?

Wenn die Tatort-Macher mal was Glitschiges machen wollen, dann spielt der Film im „Milieu“ – Puff, Straßenhuren, Rotlichtbars, Camgirls – oder eben Pornodrehs. So also kommen die Esel aufs Eis, und man lacht über ihre Tänzchen, die sie dort aufführen. Oder man (frau?) denkt nach, und manche zetern über das Thema an sich.

Also zunächst mal: Der Porno-Branche geht es schlecht. Das einst blühende Geschäft mit VHS-Kassetten, DVDs und so weiter wurde inzwischen erheblich tiefer gelegt. Der Grund: Internet. Die Folge: Jedermann-Pornos (oder Jederfrau-Pornos)? Eigentlich braucht man wenig dazu, aber diesen Teil der Branche zeigte der Tatort vorsichtshalber erst gar nicht. Klar wurde nur: Porno-Gardemaße braucht die Frau nicht, um einer der neuen Pornostars zu werden.

Also gut, ein bisschen Krimi war auch. Schließlich stirbt die Darstellerin mit „Sperma von zwei Dutzend Männer im Magen“. Und nun kommt der Trick: Alle sind sehr, sehr verdächtig bis auf den Täter, der selten und erst recht spät gezeigt wird. Und sehr schnell wird auch klar: Die Kollegin, die ebenfalls „früher“ Pornos drehte, tut das noch immer. Der Rest war teils witzig, damit auch diejenigen Zuschauer mal lachen konnten, die ansonsten empört gewesen wären, und teils banal.

Ja, es gibt sie – die Darstellerinnen, die zwei voreinander abweichende Leben führen, eines kreuzbrav, das andere rot belichtet. Und einige sind auch aus „gutem Hause“ – da könnte auch mal eine Staatsanwalts-Tochter dabei sein oder eine Arzttochter. Aber das ist nicht der Punkt. Die Frage ist, warum dieses Geschäft mit dem Ausziehen und den Körper preisgeben und sich möglicherweise dabei überwinden zu müssen, doch recht viele Frauen anzieht. Der Krimi orakelt dabei eigenartig: Am Geld allein kann’s nicht liegen, doch er gibt auch keine Antwort darauf, woran es sonst liegen könnte.

Ansonsten war’s ganz hübsch, weil’s eben doch eher lustig war als moralisauer, und eher eine Kriminal-Komödie als ein Kriminalfall. Und wunderschön, und selbst splitternackt noch ganz eine selbstbewusste Dame, war in einer Nebenrolle Jarah Maria Anders.

Wie spricht doch der alte Häuptling der Indianer? Wild ist der Westen (oder der Süden), schwer ist der Beruf. Uff. Gleich, ob Pornoproduzent, Pornodarsteller oder Tatort-Produzent und Tatort-Drehbuchschreiber. Und die Hauptschwierigkeit beliebt immer die Gleiche: Wo, verdammt noch mal, soll man die Moral hernehmen, die auch noch die Leser der Boulevardpresse befriedigt?

Die Antwort: Gar nicht. Selbst „seriöse“ Journalisten sind so öde, ein paar bekannte Statements wie die, dass „Medienexperten vor einer Porno-Flut“ warnen, zu veröffentlichen udn zu denken, damit einen wesentlichen Beitrag zur Volksmoral geleistet zu haben.. Das hatte mit dem Tatort - trotz des Themas - allerdings recht wenig zu tun.

Ich sah den Tatort selbstverständlich selbst, empfehle aber die Kritik in der ZEIT.