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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Die Hätten-Journalisten wissen alles besser

Jetzt werden sie wieder wach, die Besserwisser unter den Journalisten. Einige entpuppen sich als Feldherren und wirken in dieser Rolle eher lächerlich.

Andere aber wussten es schon immer: Zum Beispiel, dass Deutschland alles falsch gemacht hat. Töne dieser Art kommen nicht nur aus dem eigenen Land, sondern auch aus der Schweiz, wo man bekanntlich alles richtig macht, weil man stets versucht, wegzugucken, wenn es brenzlig wird.

Was steht hinter den "Man-hätte-Kolumnen?"

Erstens: Unkenntnis (oder jedenfalls Verdrängung) . Das Geschäft mit dem Gas zwischen der damaligen Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion wurde 1970 geschlossen. In Deutschland war Willy Brandt Kanzler, und in der Sowjetunion war Leonid Breschnew Generalsekretär des Zentralkomitees. Ich gebe zu, dies nachgesehen zu haben. Was man da alles anders „hätte“ machen können, liegt also 50 Jahre zurück. Da lagen die meisten der heutigen Heißsporne noch in den Windeln.

Zweitens: Überheblichkeit. Es war und ist unmöglich, politische Änderungen, Abweichungen und Auswüchse über 50 Jahre hinweg vorauszusehen. In der Rückschau ist es einfach - so verdammt einfach, dass wir den Menschen, die dies versuchen, niemals trauen sollten. Rückwärtsprognosen sind etwas für Blender, die ihre Fähigkeiten bei Weitem überschätzen.

Drittens: Kapitalismuskritik. Viele politische Journalisten glauben, Intellektuelle zu sein und sich deshalb links einordnen zu müssen. Und dort, wo sie sich dann befinden, herrscht die Ideologie. Sie sagt: Kapitalismus funktioniert niemals, Handel mit „Fremden“ ist sowieso ganz schlecht. Und sie schreiben, als seien sie selbst von der „kapitalistischen“ Wirtschaftsordnung nicht betroffen.

Der Wunsch

Umsicht, Weitsicht, Einsicht … das wären Eigenschaften guter Kolumnisten. Und ich hoffe inständig, dass es sie noch irgendwo gibt.

Nikolaus und Erkenntnis

Wer die Geschichten von der Entstehung des Nikolausfestes für wahr hält, muss erstens Katholik und zweitens wundergläubig sein. Kurz: Es ist eine tränenrührige Legende, die uns erzählt wird, um zu glauben, dass die Gabe von Geld etwas Gutes bewirkt, wenn es nur in die richtigen Hände kommt.

Gutmenschen können Manipulatoren sein - wie alle anderen auch

Wie viele Legenden glauben wir eigentlich? Von was sprechen wir? Alle, blauäugige Gutmenschen wie bösartige Manipulatoren, arbeiten mit Legenden. Man ist dort bereit, alles abzunicken, was zur eigenen Ideologie passt – meist kenntnislos. Sachverstand haben wenige, die meisten labern nach, was ihnen in der Familie oder am Arbeitsplatz eingeflüstert wird. Dabei habe ich einschlägige Rechts- und Linksblätter sowie Boulevardzeitungen noch gar nicht erwähnt.

Rechthaberei und Neidhammelei - zwei gesamtdeutsche Unsitten

Was wollen die Leute eigentlich? Recht haben? Das Geld haben, das andere angeblich verdienen, obwohl sie gar nicht wissen, wie viel sie verdienen und was sie dafür leisten müssen? Rechthaberei und Neidhammelei gibt es im Westen wie im Osten – es muss irgendwie eine gesamtdeutsche Unsitte sein. Und überall hört man Legenden: von unbezahlbare Wohnraum in Deutschland, von entsetzlicher Armut, von fehlenden Zukunftsperspektive. Man ist auch gewohnt, etwas „über“ Menschen zu hören: über Umweltaktivisten, Migranten und Prostituierte … in jedem Kopf scheint eine eigene Welt zu existieren, die nicht durch Tatsachen abgedeckt werden kann – und auch nicht abgedeckt werden soll.

Eine Bloggerkollegin schrieb neulich (1):

Das Problem ist, dass wir von unterschiedlichen Dingen sprechen.
Das Problem ist, dass über gesprochen wird, statt mit.
Das Problem ist, dass wir teilweise in unterschiedlichen Sprachen sprechen.


Und falls du, liebe Leser, mit „verschiedenen Sprachen“ „Ausländer-Sprachen“ meinst: In Deutschland gib es eine erheblich Anzahl von Menschen, die kein Deutsch beherrschen und sich mit Begriffen verständigen, die gar kein differenziertes Denken ermöglichen.

Zu dumm, um in der Grundschule differenziertes Deutsch zu lernen? Oder nur zu faul? Damit kommt man als sogenannter „Bio-Deutscher“ offenbar gut durch. Und auch die angeblich so Klugen sprechen über „Dinge“ so, als wären sie eben auch „Dinge“ – so wie sie in ihren Köpfen existieren, aber nicht in der Realität.

Die Realität ist kompliziert – egal, was sie für dich oder mich ist, sie existiert „wirklich“ nur, indem wir darüber reden und uns über sie einigen. Und auf Legenden könnt ihr wirklich sch… dankend verzichten.

(1) Gemeint ist jemand, der auch bloggt. Ich verlinke in diesem Fall nicht.

Besserwisser am Ende des G20-Gipfels

Ei ei, da haben wir sie alle wieder: die Besserwisser, die jetzt überall aus den Löchern kommen und sagen: „Seht, seht, ich habe es schon immer gewusst ….“. Und wenn man gerade mal in Rauflaune ist, dann ist der einzige Prominente schuld, der mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an der Misere schuld ist: der Hamburger Bürgermeister. Ohne ansahen der Person, ohne Ansehen der Partei: Der war es ja wohl am allerwenigsten, den an den Pranger gehört.

Rücktrittsforderungen von ungewohnter Seite

Besonders interessant dazu ist eine Stellungnahme der „Gewerkschaft der Polizei“, die heute vom MDR verbreitet wurde, ausnahmsweise mal im Wortlaut:

Angesichts der schweren Ausschreitungen in Hamburg rund um den G20-Gipfel hat die Deutsche Polizeigewerkschaft dem Ersten Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) den Rücktritt nahegelegt. Vorsitzender Rainer Wendt (1) sagte: "Wenn Scholz keinen Plan hat, wie er linke Gewalt künftig verhindern will, muss er seinen Hut nehmen.“


Konnte irgendjemand ahnen, was geschehen würde?

Dem entgegen steht, dass sich gerade die Polizei zuvor nicht recht bewusst war, was in Hamburg auf sie zukommen würde. Und dazu wiederum ist zu sagen, dass vermutlich niemand ahnen konnte, mit welcher Vehemenz und Brutalität die Randalierer vorgehen würden. Hinterher ist man – wie bekannt – immer schlauer.

Flotte Sprüche von der FDP – was soll das?

Ins gleiche Horn stieß auch die FDP, deren Vize-Bundesvorsitzende und Hamburger Landeschefin Katja Suding flugs erklärte, das Sicherheitskonzept der Behörden sei vollkommen gescheitert – und im nächsten Atemzug den Bürgermeister dafür anprangert und nicht etwa die Einsatzleitung der Polizei. Und - es war nicht der Bürgermeister, Frau Suding, der Hamburg „weltweit blamiert und in Verruf gebracht“ hat – das ist so stark vereinfacht, dass man solche Sätze als FDP-Politikerin einfach nicht in den Mund nehmen sollte.

Die Hardliner der CDU wachen auf – und machen Wahlkampf

Ach ja, und dann wachen auch die Speerspitzen gegen Links in der CDU und der CSU wieder auf, die den Feind schon immer nicht rechts, sondern links vermuteten. Auch sie wissen jetzt mal wieder alles besser, was ich (wie auch die Einlassungen der FDP) mal als Wahlkampf ansehe.

Hamburg hatte den „Schwarzen Peter“ beim G20

Bleibt die Frage, ob es richtig war, den G20-Gipfel in Hamburg stattfinden zu lassen und nun den Scherbenhaufen auf die Hamburger Landesregierung und/oder auf die Polizei abzuschieben.

Und der friedliche Protest gegen den Gipfel selbst? War der etwa so sinnvoll, wie im Vorfeld behauptet wurde? Und gingen die vernünftigen Argumente nicht am Ende unter, wenn sie denn überhaupt gehört wurden?

Hamburger sollten jetzt zusammenstehen

Die Hamburger sollten jetzt zu ihrem Bürgermeister stehen und sich zusammenraufen – auch über die Parteigrenzen hinweg – um das Geschehen klug zu analysieren und nicht in der Öffentlichkeit herumzubolzen oder gar von einer „tiefen Spaltung“ der Hamburger Bürger zu sprechen.

(1) Falls Sie nicht wissen, wer Rainer Wendt ist: CDU/CSU-Mitglied ... den Rest sagt Ihnen Wikipedia.