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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Kennt ihr Fritz Theodor Gallert?

Kennt ihr Fritz Theodor Gallert? Nie gehört? Macht nichts. Aber die Art, wie dieser Autor der 1920er Jahre plötzlich wieder aufgetaucht ist, gibt zu denken.

Fritz Theodor Gallert ist ohne Zweifel eine historische Person. Er wurde 1893 als Sohn des Dr. Fritz Otto Gallert und seiner Ehefrau Franziska, genannt Fanny, in München geboren und verstarb 1952. Zu Lebzeiten hat er offenbar nur eine „Spur“ hinterlassen: Seinen 1919 erschienener Erfolgsratgeber „Erfolgs-Methode“. Er war allerdings offenbar kein Verkaufserfolg – und ich las (1):

Jedenfalls hat es keine zweite Auflage erlebt, und von dem Autor Fritz Theodor Gallert fehlt so gut wie jede weitere Spur.

Im selben Beitrag wird dann die kühne Behauptung aufgestellt:

... "Erfolgs-Methode ist ... ein Beispiel dafür, wie man sich um und nach 1900 auch ohne besondere Autorisierung ... dazu veranlasst sehen kann, einen Ratgeber zu verfassen."

So weit die Meinung von ausgewiesenen Akademikern - und darüber müsste dringend gestritten werden - nämlich 2022.

Allerdings finden wir diesen unbekannten Autor, Fritz Theodor Gallert, nun plötzlich in ganz neuen Werken (Beispiel 2), wen es um „Hochstapelei“ oder „Falschinformationen“ geht.

Die einseitige Welt des akademischen Denkens

Wer sich darüber Gedanken macht, gerät sofort in eine Welt, in der ganz offensichtlich anders gedacht wird als in der Welt, in der „wir Übrigen“ leben.

Wenn ich dies in drei Sätzen sagen sollte, dann würden sie so aussehen:

1. Wissenschaftler spekulieren mit vagen Informationen, binden Meinungen ein ... und geben diese als Weisheit aus.

2. Wenn wir „popeligen Laienjournalisten“ (aka Blogger) so etwas tun, dann gelten wir als Menschen, die verdächtigt werden, Falschinformationen zu verbreiten.

3. Der gewöhnliche Mitmensch sucht keine akademischen Spielereien, sondern er versucht, etwas zu verstehen - und dazu benötigt er Journalisten, die mehr Weitblick haben als Wissenschaftler.

Und genau deswegen müssen wir auch Wissenschaftler bezweifeln.

(1) Zitat aus "Erfolg", Bielefeld 2021.
(2) Journalismus und Halbwahrheiten

Literatur über den Erfolg - und einige Worte der Kritik

Das Buch - ERFOLG - die Dimensionen von Erfolgsratgebern von 1890 bis 1933
Neulich habe ich die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens gelobt, und davon beißt das Mäuschen bis heute keinen Faden ab. Inzwischen habe ich auch das dazugehörige Buch erworben (ja, physisch), und auch das ist wirklich fein recherchiert. Dennoch wirft es einige Fragen auf - vom Titel bis hin zu den Inhalten.

Hätte ich kein Interesse am Thema, so hätte mich bereits der Titel abgeschreckt:

„ERFOLG - Institutionelle und narrative Dimensionen von Erfolgsratgebern (1890-1933)“

Zuvor hieß es noch verzwickter:

„Poetik des Erfolgs. Institutionelle und narrative Dimensionen von Erfolgsratgebern (1900-1933)“

Kein Buch für alle?

Wendet sich dieses Buch an Wissenschaftler, die dieses Kauderwelsch entschlüsseln können? Nein, wirklich nicht. Der Text ist verständlich und flüssig geschrieben, und ich konnte daraus etwas entnehmen.

Was finden wir im Buch?

Im Grunde untersucht das Buch vier unterschiedliche Ansätze der Ratgeberliteratur, die sich mit dem Erfolg beschäftigen. Dabei werden einige der wichtigsten Bücher ausführlich beschrieben.

1. „Vorbildliche“ Wege zum Erfolg anhand von Personen, die Erfolg im Leben hatten.
2. Systematische Wege, also solche, die sich beschreiben und nachvollziehen lassen, also sozusagen „Rezepte“ für den Erfolg bieten.
3. Nervenstarke Wege - also Wege, wie man mit Hilfe von „stabilen Nerven“ die gewünschten Erfolge erzielen kann - und die Methoden, die dabei verwende werden.
4. Reformwege - das wären Wege, das eigene Leben zu „reformieren“ und auf den Erfolg auszurichten.

Historisch interessant - aber es fehlt der Bezug zur Jetztzeit

Interessant ist vor allem das Kapitel über systematische Wege, weil sie nachvollziehbar sind. Diese Wege werden auch bis heute angeboten, wobei mir (und sicher auch anderen Lesern) wenigstens der Hauch einer Verbindung zur Jetztzeit fehlt. Das wurde zwar nicht versprochen, aber die Welt der Erfolgsbücher war 1933 auf keinen Fall zu Ende.

Was wir bekommen, ist deshalb weitgehend historisch - und tatsächlich werden die Inhalte auch vor diesem Hintergrund beleuchtet.

Etwas mehr Struktur hätte sicher nicht geschadet

So weit - so gut. Dennoch hätte bei den „systematischen“ Wegen ein bisschen mehr Struktur nicht geschadet. Die reine Erzählweise der Autoren führt uns nicht zu einer klaren Übersicht über die Bausteine, die in den Systemen verwendet wurden.

Mir erschließt sich nicht, warum eine so umfassende Recherche nur „erzählerisch“ dargestellt wird, statt danach zu suchen, welches Bausteine die ursprünglichen Autoren anpriesen. Denn genau diese Bausteine wurden ständig wiederverwendet - unter anderen Namen und mit anderen Prioritäten - und dies nun wirklich bis heute. Wäre das geschehen, würden viele Passagen des Buches auch Leser interessieren, die nicht ausschließlich nach der Dokumentation suchen.

Das ändert nichts am Wert des Buches, aber es grenzt den Leserkreis eben doch etwas ein - und das hätte nicht sein müssen.

Das Buch: Michael Niehaus / Wim Peeters / Horst Gruner / Stephanie Wollmann
Erfolg - Institutionelle und narrative Dimensionen von Erfolgsratgebern (1890–1933), Transcript-Verlag 2021

Suche im Internet - was oben schwimmt, ist nicht immer die Wahrheit

Der Unterschied zwischen seriösen Journalisten, verantwortungsvollen Bloggern und den üblichen Klugsch... besteht überwiegend darin, auf möglichst viele verwendbare Quellen zurückzugreifen, um die „Essenz“ einer Sache herauszufinden. Das ist oft nicht einfach und kann sehr mühsam sein, insbesondere, wenn es um die Definition von Begriffen oder wissenschaftliche Grenzgebiete geht.

Ich weiß inzwischen, dass Menschen, die nicht viel Geduld (und kaum Interesse an komplizierten Recherchen) haben, den ersten Eintrag in Suchmaschinen für den zutreffendsten halten.

Wer sich fragt, wie solche Einträge an die Spitze kommen, wird oft hören: Wegen der ausgeklügelten Algorithmen, die diese Suchmaschine verwendet -oder „weil dieser Beitrag oft zitiert wurde“.

Ob dies zutrifft oder nicht - der erste Eintrag ist nicht die einzige Quelle, und auch nicht die „einzig gültige Quelle“. Wer wirklich nach der Wahrheit suchst, wird viele Quellen durchforsten müssen - auch solche, die auf abweichenden Sicht- oder Vorgehensweisen beruhen.

Katholiken, Naturwissenschaften und der Körper als "Leib"

Ich habe mit großem Interesse gelesen, dass die katholische Kirche versucht,

.... wissenschaftliche Erkenntnisse zum Geschehen auf der körperlich-hormonalen Ebene ...

in die katholische Ethik einzubeziehen. Allerdings wird kurz danach argumentiert, dass die „Theologie des Leibes“ dabei in jedem Fall zu berücksichtigen sei.

Nun ist es ein enormer Fortschritt, dass die katholische Kirche wenigstens die „körperlich-hormonalen“ Effekte anerkennt. Aber mir scheint, dass die „Theologie des Leibes“ sozusagen eine „Parallelkultur“ bildet, die sich wissenschaftlich in keiner Weise begründen lässt und streng theologisch, so weit mir bekannt, ebenso wenig.

Nun könnte man sagen: „Was geht mich das an - ich bin ja kein Katholik.“ Aber damit bin ich nicht allein. Denn wenn die Behauptung aufgestellt wird, es gäbe eine „Theologie des Leibes“, dann würde sie für alle Menschen gelten, die in den gesellschaftlichen Traditionen des „christlichen Abendlandes“ aufgewachsen sind - und also für alle „Ureinwohner“ Europas und vieler anderer Länder.

Zitat aus einer katholische Zeitung.
Erklärung der "Ethik des Leibes" und die Entstehung des Begriffs bei katholisch.de

Zum Montag: ein paar Worte über Motzer

Dieser Tage habe ich mal wieder mit „Motzern“ zu tun gehabt. Es waren recht viele, und einige traf ich in „sozialen Netzwerken“. Eine Dame beklagte sich beispielsweise, dass die „Generation Babyboomer“ sozusagen von Politiker und Arbeitgebern vergessen wurde.

Wirklich? Gab es diese Generation überhaupt außer in flapsigen Beiträgen vorwitziger Autoren?

Gibt es wirklich eine "Generation Babyboomer"?

Zuerst einmal: Vorsicht mit Pauschalierungen. Ein „Boom“ muss sich schon deutlich von der üblichen Entwicklung absetzen. Das war in Deutschland zwischen 1960 und 1965 der Fall, und dann noch einmal zwischen 1985 und 1990, und dann erst wieder zwischen 2015 und heute.

Also reden wir von Menschen, die heute entweder zwischen 57 und 62 Jahre alt sind, oder von jenen, die zwischen 32 und 37 Jahre alt sind.

Da manche Autoren mit Begriffen noch weitaus großzügiger umgehen, können auch die Geburtsjahrgänge 1946 - 1964 gemeint sein. Dann wären es also die Menschen, die heute (wenn sie noch alle leben würden) zwischen 56 und 76 gemeint. Und wenn das so wäre, würde ich in dieses Schema sogar noch hereinfallen.

Wann war die erste Krise in der jungen Bundesrepublik?

Was viele vergessen haben: Das Leben in der Bundesrepublik Deutschland hat sich zwischen 1946 und 1964 erheblich verändert. 1966 gab es die erste Krisenzeit in der Bundesrepublik Deutschland. Damals waren die Ergebnisse des Babybooms“ demnach zwischen zwei und 20 Jahre alt. Die Krise war relativ kurz, die Angst aber saß allen in den Knochen.

Merkwürdige Behauptungen

Was ich lese, klingt allerdings dramatisch: Es habe kaum Ausbildungsplätze gegeben, danach keine Übernahmen. Akademisch war auch alles mau: kaum Studienplätze und danach keine Jobs. Und überhaupt: Gehälter mies, Renten niedrig - und alles war die Schuld „der Politik“ und „der Arbeitgeber“.

Je nachdem, wo man liest, ist es dann der Kapitalismus, der alle schindet und knechtet, und natürlich kommen wir dann in die Nähe der späten Propheten, die alles schon immer vorher wussten, aber nie gesagt haben.

Selbstbesinnung - dringend empfohlen

Und nun? Ich hoffe, dass sich mancher von euch auf sich selbst besinnt, bevor er die Politiker, das System, die Unternehmer oder sonst jemanden an den Pranger zu stellen versucht.