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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Freud, das ICH und ich

ICH - ein Wort in vielen Farben
Nein, Freud hat das ICH nicht erfunden. Es beruht auf einer relativ einfachen Überlegung: Ich erkenne mich, indem ich denke. Im weiteren Sinne ist das ICH also der Träger des Selbstbewusstseins.

Freuds bahnbrechende Erkenntnis war eine andere, der als „dritte Kränkung der Menschheit“ in die Geschichte einging (1):

Ein beträchtlicher Teil unserer Wahrnehmung unterliegt nicht der Herrschaft unseres erkennbaren (bewussten) Willens.

Um diese, für die damalige Zeit (1917) „unerhörte“ Behauptung zu untermauern, wurden dem Bewussten ICH (ego) gleich zwei Brüderchen zur Seite gestellt: Das ES (id) und das ÜBER-ICH (super-ego).

Wenn das Pferd den Reiter führt

Die Verhältnisse beschrieb Freud (2) recht blumig (hier im Verhältnis ICH zu ES):

(Das ICH …) gleicht so im Verhältnis zum Es dem Reiter, der die überlegene Kraft des Pferdes zügeln soll … Wie dem Reiter, will er sich nicht vom Pferd trennen, oft nichts anderes übrig bleibt, als es dahin zu führen, wohin es gehen will, so pflegt auch das Ich den Willen des Es in Handlung umzusetzen, als ob es der eigene wäre.

Obgleich die Theorie von Freund im Beispiel sehr anschaulich geschildert wurde, verkam der Begriff des „Unterbewussten“ sehr schnell zu einem Schlagwort – und in ihm hauste dann auch sehr verborgen das geheimnisvolle „ES“.

Eine Theorie wird fad …

Die Theorie ist mittlerweile etwas angegraut. Unter anderem, weil nicht recht plausibel wird, warum drei ICHs in unserem Leben herumwuseln, aber weder ein „WIR“ noch ein „ANDERE“. Auch wird nicht klar, auf welche Weise sich unsere drei ICHs durchdringen, umschlingen oder zu einem Knoten werden (3).

Wie Eric Berne Freud in den Alltag rettete

Hätte es nicht Eric Berne gegeben, dann wäre die Theorie als „ganz nett“ zur Seite geschoben worden. Berne dachte bei seinen Betrachtungen eher an Alltagsphänomene als an Theorien. Und so fand er das Prinzip „PAC“, das Freuds Theorien aufgriff, sie aber entmystifizierte.

Es besteht aus exakt den gleichen Komponenten wie bei Freud:

(A)DULT repräsentiert das ICH.
(P)ARENT stellt das ÜBER-ICH dar.
(C)HILD ist das ES.


Der Unterschied besteht darin, dass die Prozesse nicht „in den Tiefen des seelischen Eismeers“ liegen, wie im „Eisbergmodell“ der Psyche behauptet wird. Vielmehr suchte und fand Berne die drei Elemente des ICHs in der Kommunikation.

Was hat das mit mir zu tun?

Was ist nun mit meinem ich, was mit mir? Eine Dame, selber Ex-Journalistin und Autorin, bezweifelte meine Fähigkeit, die drei ICH-Formen zu trennen und aus den Einzelelementen Texte zu erzeugen.

Dabei war ich noch recht handzahm. Als Autor auch (aber nicht ausschließlich) im Stil des Über-ICH zu schreiben ist bis heute für mich ein journalistischer Auftrag. Der damalige Original-Text, der heute nicht mehr auf meinen Webseiten zu finden ist, lautete (4):

Mein Über-Ich analysiert kritisch, bewertet sorgfältig und schreibt mit Bedacht, aber nicht ohne Biss - mal unter einem Pseudonym, mal unter eigenem Namen.

Gebildet sein und "deutsche Intellektuelle"

Wahrscheinlich hätte ich mich damals besser nicht auf Freud berufen, sondern gleich auf Eric Berne. Doch hier gibt es wirklich ein Problem deutscher Intellektueller: Jeder weiß irgendwie irgendetwas etwas zu Sigmund Freud zu sagen – schließlich ist man ja humanistisch gebildet. Aber Eric Berne?

Und in diesem Sinne wünsche ich meinen Leserinnen und Lesern viel Freude mit euren eigenen ICHs. Und noch ein Tipp, gratis: Nehmt nicht alles so schrecklich ernst – es führt zu Falten im Gesicht.

(1) Wikipedia.
(2) Quelle: DLF.
(3) Das erforschte sehr ausführlich Ronald D. Laing
(4) Aus meiner ursprünglichen Webseite, die ich als Autor anlegte.

Größe 35

Dieser Artikel könnte euch langweilen. Er handelt von einer Hose. Also: Weiterlesen auf eigene Gefahr.

Eigentlich wollte ich gar nicht über mein Erlebnis mit einer „35“ schreiben. Aber Zahlen werden nun einmal populär, und deshalb erinnerte ich mich dieser Tage wieder an ein Erlebnis vom Herbst 2020, als man noch Kleidung „anprobieren“ durfte, bevor man sie kaufte.

Ich wollte eine Hose. Hellbraune Hose aus Baumwollstoff, gemeinhin „Jeans“ genannt. In diesen habe ich Größe 36. Nun wissen die Damen unter euch, dass die Größe, die draufsteht, nicht mit der Größe zu tun hat, in der die Klamotten geschnitten sind. Ich muss gestehen, dass ich zwei Fabrikate bevorzuge, die ich hier nicht nennen will, und die perfekt sitzen. Die Marke, die mir ein örtlicher Händler anbot, kannte ich nicht. Dazu sage ich normalerweise: Warum eigentlich nicht einmal etwas Neues versuchen? Also probiere ich die Hose Größe 36 an (noch mal für die Damen: Damit sind Zoll gemeint, keine deutsche Damengröße).

Ich stutze. Die Hose ist zu groß, sie passt überhaupt nicht. Das Gesäß kommt schlecht raus, und sie rutscht. Doch die agile Verkäuferin weiß eine Lösung: „Die gibt es auch in 35!“ Und also bringt sie eine Hose Größe 35, die es sonst eigentlich nicht gibt - und die passt wie angegossen.

Bei dem Wort „angegossen“ hätte ich stutzen sollen. Denn das tat sie nur einmal. Dann dehnte sie sich nach einem geheimen Plan, der irgendwo in der Beschreibung verborgen war, vermutlich, um den Po immer straff zu halten. Das Problem ist nur: Menschen bewegen sich bekanntlich. Zum Beispiel sitzen sie dann und wann oder bücken sich irgendwie. Und wenn sich etwas auf „Passform dehnt“, um diese dann beizubehalten, dann passiert etwas Vorhersehbares: Sie leiert aus.

Die „35“ wurde zunächst von einem Hosengurt gestützt, doch dies blieb ohne die erhoffte Wirkung und schadete mithin dem Aussehen. Doch ein paar schicke britische Hosenträger sollten das Problem beheben, wobei ich leider kein Hosenträger-Typ bin. Und Hosenträger und Pullover vertragen sich auch nicht so gut. Na schön, die „35“ hängt jetzt im Schrank - mit Hosenträgern. Vielleicht ziehe ich sie im nächsten Frühling an.

Der Autor als Schreibhure?

Wenn ich das Internet durchpflüge, dann kommt mir manchmal der Gedanke, das Schreiben sei so eine Art „geistige Prostitution auf niedrigem Niveau.“

Sich verfügbar machen für einen Hungerlohn?

Ähnlich wie in der Rotlichtszene könnte nachgefragt werden: Warum tust du so etwas? Warum gehst du auf einen Markt, in dem es Texter(innen) und Content-Schreiber(innen) in Hülle und Fülle gibt?

Die Antwort ist oft: „Weil es mein Beruf ist“ oder „weil dich damit meine Familie ernähre“. Niemand fragt: „Würdest du an einem ‚Aussteigerprogramm‘ interessiert sein?“ Nein, es gibt es keine Institution, die Texter oder Autoren vor der Ausbeutung schützt. Warum auch? Sie haben sich nun mal entschieden, sich verfügbar zu machen, oder etwa nicht?

Tatsache ist: Die Mehrheit der freien Schriftsteller(innen), Content-Schreiber(innen) und Texter(innen), arbeitet für einen Hungerlohn.

Ich habe mir oft die Frage oft gestellt, ob ich meinen Geist oder gar meine Emotionen an eine Branche verkaufen soll, die keine Ethik kennt, sondern nur „Spitzenplätze in Suchmaschinen“. Um dies zu erreichen, werden meist absolut geistlose, oft irreführende Texte verlangt. Ist es ein Wunder, dass bei dem Überangebot an Textern und Autoren so gut wie nichts mehr bezahlt wird? Manche Putzfrau verdient in der Stunde mehr als ein Content-Schreiber am Tag.

Kostenlos schreiben ist besser als sich zu prostituieren

Ich hab eine Antwort gefunden: Ich schreibe lieber kostenlos, was ich will, als mich als Schreibhure zu verdingen und dabei zu tun, was meine Auftraggeber sich wünschen. Und falls sich dennoch jemand meldet, der mir faire Angebote unterbreitet – dann schreibe und recherchiere ich auch dann und wann gegen Geld – ohne mich zu prostituieren.