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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Psycho-Tests haben keine Aussagekraft für das Eheglück

Psycho-Tests haben keine Aussagekraft über das zukünftige Eheglück - das ist seit langem bekannt, doch erst seit einigen Jahren gibt es eine Gewissheit, dass dies so ist.

Psycho-Tests, die feststellen sollen, ob ein Paar zusammenpasst, haben keinerlei Aussagekraft. Ebenso könnt ihr alle anderen Theorien in die Tonne kippen, die im Netz darüber verbreitet werden.

Dieser Auffassung ist jedenfalls der Züricher Professor Guy Bodenmann, der seine Überzeugung auf mit Forschungen des vergangenen 25 Jahre belegt (1)

Die Forschung der letzten 25 Jahre zeigt mit großer Übereinstimmung, dass es nicht Attraktivität, Persönlichkeitsmerkmale, Status und das Ausmaß der ursprünglichen Liebe zum Zeitpunkt des Eingehens der Partnerschaft sind, welche eine glückliche Partnerschaft über Jahre gewährleisten. Eine zufriedenstellende Partnerschaft zu führen, braucht Kompetenzen.

Wenn „Persönlichkeitsmerkmal“ (früher Charaktereigenschaften genannt) keine tragende Rolle für eine glückliche Partnerschaft spielen, sind alle diesbezüglichen Tests Makulatur. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als das Partnervermittler sich nicht auf ihre angeblich „psychologisch begründeten“ Partnerübereinstimmungstests berufen können, aber noch mehr, dass die Entwicklung künstlicher Intelligenz für die Partnersuche, auf die vor allem die IT-Branche große Hoffnungen setzte, ebenfalls vom Tisch ist.

Augenwischerei mit C.G. Jung & Co

Schon seit langer Zeit war bekannt, dass es keine wirklich brauchbaren Kriterien für die psychologische Passung von Liebes- und Ehepaaren gab. Die in einschlägigen Papieren und Publikationen genannten Personen und Verfahren hatten kaum einen Bezug zum Thema: Weder Sigmund Freud noch Carl Gustav Jung, weder das Fünffaktorenmodell noch die Theorie von Myers und Briggs.

Als Ergänzung für psychologisch Interessierte wäre noch zu sagen, dass bereits der Grundsatz falsch sein könnte, Personen zunächst in „extravertiert“ oder „introvertiert“ einzuteilen und dann nachfolgend ihre übrigen Eigenschaften festzustellen.

Psychologische Auswahlkriterien schaffen keine glücklichen Ehen

Das alles heißt nicht, dass Attraktivität, Befindlichkeit, Persönlichkeit, Status und Liebe auf die Partnerwahl keine Auswirkungen haben. Die Aussage bedeutet nur: Niemand kann sichre voraussagen, dass eine unter diesen Voraussetzungen geschlossene Ehe „glücklich“ wird.

Das eigentlich neue an der Theorie von Professor Bodenmann ist vor allem, dass die „Wissenschaftlichkeit“ von Voraussagen über die Ehe angezweifelt wird. Bodenmann tut dabei etwas sehr segensreiches: Er gibt die Verantwortung an diejenigen zurück, die wirklich betroffen sind - in diesem Fall an das Paar selbst. Denn er wünscht sich, dass beide Partner über die Kompetenzen verfügen, eine glückliche Ehe zu führen - und falls sie diese noch nicht erworben hätten, so ließen sie sich erlernen.

(1) Guy Bodenmann, Psychologe, in: 'Stress und Partnerschaft', Zürich 2011

Wenn das Gewohnte nicht mehr gilt

Wenn das, was wir gewohnt sind, nicht mehr gilt, dann geraten die Ängstlichen in Panik. Die Mutigen erproben, welche Vorzüge ihnen das Ungewohnte einbringen könnte, und die Gleichgültigen zucken die Schultern.

Um es gleich zu sagen: Das Gewohnte gilt nicht immer und überall, und vor allem nicht für die Ewigkeit. In der Vergangenheit mag das nicht so wichtig gewesen sein: Man blieb auf seiner Scholle, und kein Fremder reiste dorthin. Ebenso blieb man in seiner Kaste, Klasse, Religionsgemeinschaft oder Partei mit Gleichgesinnten zusammen – man wechselte nicht. Zwar waren Frauen nicht überall gleich ungleich, aber sie wurden als Frauen nirgendwo als „gleichwertig“ angesehen – es war ganz normal, sie in irgendeiner Weise abzuwerten.

Den Wandel vom Gewohnten zum Ungewohnten gibt es schon lange

Der Wandel vollzog sich auch im vorigen Jahrhundert schon - aber deutlich langsamer. Man sprach vom „Generationenkonflikt“ und meinte, die Älteren seien nicht mit den Zielen und Grenzüberschreitungen der Jungen einverstanden.

Neu ist nur die Geschwindigkeit des Wandels: Wir releben ihn innerhalb einer Generation, nicht verteilt auf drei Generationen, was noch für die 19hunderter Jahre üblich war.

Wenn das Gewohnte nicht mehr gilt, müssen wir über den Alltag verhandeln. Die Ängstlichen verweigern dies, flüchten in ihren schwarzen und braunen Ecken, gelegentlich gar in grüne und gelbe. Furchtsame Männer igeln sich ein, ängstliche Frauen schotten sich ab. Ja, und die Mutigen? Sie probieren alles aus: wie man ohne Verhandlungen ans Ziel kommt, wann man besser verhandeln sollte, und wann man unbedingt verhandeln muss.

Die gesellschaftliche Wirklichkeit ist Sache von Verhandlungen

Unser Zeitalter ist sozusagen das Erste, indem Paul Watzlawicks These zum Tragen kommt: Die (gesellschaftliche) Wirklichkeit existiert gar nicht, sie ergibt sich aus unseren sozialen Verhandlungen. Kommunizieren wir also vom Gleichen, und finden wir eine Vereinbarung über unser Handeln, so ist „unsere Welt“ in Ordnung. Wir nehmen dabei in Kauf, dass sie es für andere nicht ist.

Die Wütenden fürchten um ihren Status

Die „anderen“ stehen staunend daneben. Ein Teil erträgt den Wandel stoisch: „Na, ist eben so“ oder „betrifft mich eigentlich nicht direkt“. Ein anderer Teil ist verwirrt oder gar entsetzt. Selbst von einem äußert gebildeten Mann musste ich mir anhören, dass es unerhört ist, erst einmal alles infrage zu stellen, um dann die Dinge neu zu vereinbaren. Bei einigem Nachdenken fiel mir aber ein, dass ich genau diesen Satz bereits im Generationenkonflikt der 1960er Jahre gehört hatte.

Mittlerweile ahnen die Verlierer der neuen Zeit, dass sie weniger erfolgreich sein werden, wenn sie nicht verhandeln. Nicht nur die „üblichen Verdächtigen“, also die angeblich „Abgehängten“, dies sich selbst abgekoppelt haben, sagen dies. Ebenso wehre sich „gute Bürger“ dagegen, dass sie ihre Gewohnheiten verändern müssen – und werden zu „Wutbürgern.“ Und schließlich sind es Personen, die glauben, Privilegien „gepachtet“ zu haben - insbesondere Adlige und Hochschullehrer.

Wer standhalten will, muss sich schneller bewegen

Sicher, manchmal erwische ich mich selbst dabei, etwas hinter der Zeit herzulaufen – da geht älteren Menschen nun mal so. Aber auch dieses Phänomen wurde bereits in „Alice im Spiegelland“ beschrieben. „Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst“ – und dieses Zitat stammt weder aus dem aus dem Einundzwanzigsten noch aus dem Zwanzigsten Jahrhundert, sondern aus dem Neunzehnten.

Zitat: "Trough The Looking Glass": Now, here, you see, it takes all the running you can do, to keep in the same place.If you want to get somewhere else, you must run at least twice as much as that."

Irrtümer in der Psychoanalyse?

Kürzlich wurde ich gefragt, welche Erkenntnisse von Sigmund Freud falsch waren. Dabei stellt sich die Grundfrage, ob Freuds Theorien überhaupt etwas mit einer soliden Wissenschaft zu tun haben. Was letztlich heißt: Wir müssen all diese Erkenntnisse hinterfragen, und nicht nur, ob sie „richtig“ oder „falsch“ sind, sondern vor allem, welche Bedeutung sie haben. Denn wenngleich Sigmund Freud für einen Teil der Bevölkerung eine Art Halbgott ist, für Psychotherapeuten vielleicht gar die Grundlage einer Erklärung des Seins – dann ist seine Theorie dennoch nur ein Entwurf, und er darf selbstverständlich hinterfragt werden.

Der Knackpunkt vieler Theorien dieser und ähnlicher Art ist: „Kann ein einzelnes Ereignis während der Kindheit wirklich psychische Schäden auslösen, die mit Eigenmitteln (Selbstheilung, Kommunikation, gute soziale Kontakte) nicht mehr beseitigt werden können, sondern nur noch dadurch, dass sie (oft mühsam) wiederbelebt werden?“

Dabei stellen wir fest, dass die Psychotherapie das Pferd stets vom Schwanz aufzäumt. Hat ein Psychotherapeut festgestellt, dass die von Freud gefundene Methode hilft, dann glaubt er zu wissen, dass es dieses einzigartige Ereignis wirklich gibt und dass es die Ursache für die Störung ist.

Jeder logisch denkende Mensch würde sagen: Im Grunde müssten wir wissen, wie viele Menschen ähnliche Erlebnisse hatten und wie viel diese nicht selbst wieder tilgen konnten. Aber das wissen wir schon deshalb nicht, weil Menschen, die sich selbst wissend oder unwissend geholfen haben, nicht zu Therapeuten gehen.