Skip to content
Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Findelsatire – die britischen Hochtouren

Der Herr Javid, derzeit Finanzminister unter Herrn Johnson, der jetzt im UK Premierminister ist, sorgte bei mir für die aktuelle Findelsatire (Zitat):

Mit dem zusätzlichen Geld soll die größte öffentliche Kampagne aller Zeiten finanziert werden, um sicherzustellen, dass Einzelpersonen und Unternehmen für einen No-Deal-Brexit bereit seien.


Jede Dummbacke weiß, was alles nötig ist, um ein Haus zu planen und zu bauen. Ich persönlich weiß aus meiner langjährigen Erfahrung als IT-Organisator, wie viel Vorbereitungszeit ein umfassendes Projekt benötigt. Und die Herren Minister im Vereinigten Königreich glauben, nicht nur die Planung, sondern auch die Durchführung eines No-Deal-Brexits mit irgendwelchem „Hochdruck“ beschleunigen zu können.

Irland? Schottland? Die britische Wirtschaft? Alles kein Thema. Man muss nur sicherstellen, dass „alle bereit sind“. Fragt sich, was dann folgt: Bereit sein für was? Für Einschränkungen aller Art? Vielleicht für einen Niedergang der britischen Wirtschaft?

Gerade las ich, dass in Madagaskar ein Fahrzeug namens Karenjy gebaut wird – überwiegend in Handarbeit und (fast) ohne Bauteile aus dem Ausland. Dergleichen könnte man auch im Vereinigten Königreich bauen – in Handarbeit. Gut, ich sollte nicht zu satirisch werden. Immerhin hoffe ich persönlich noch, dass es im Parlament des Vereinigten Königreichs ein paar kluge Köpfe gibt, die wirklich wissen, was ein „No Deal“ bedeutet.

Bedenkliche Entwicklungen in "Ostdeutschland"

Einem älteren Ostdeutschen zu sagen, man könne sich doch zunächst einmal als „Deutscher“ definieren, wenn es schon nicht dazu reicht, sich „Europäer“ zu nennen, ist nahezu aussichtslos.

Der „Osten“, also die neuen Bundesländer, haben eine neue Pseudo-Mentalität entwickelt: Seine Einwohner bestehen zu einem übergroßen Teil darauf, in erster Linie „Ostdeutsche“ zu sein.

Sich selbst sein, Mecklenburger oder Thüringer sein - aber Ostdeutscher?

Das ist eine bedenkliche Tendenz, und sie zeigt, wie wenig man sich im Osten auf die eigentliche Herkunft besinnt – denn objektiv bestehen zwischen Sachsen und Mecklenburgern ähnlich große Unterschiede wie zwischen Holsteinern und Schwaben. Von einer tatsächlichen „ostdeutschen“ Mentalität kann also gar nicht die Rede sein. Und neben der eigentlichen Herkunft sind es auch die persönlichen, individuellen Werte, die im Vordergrund stehen sollten. Das gilt völlig unabhängig davon, ob man „Westdeutscher“, „Thüringer“ oder eben auch „Zulu“ ist.

Ungleichheit und politische Hetze

Zu der angeblichen Stimmungslage, sich „abgehängt“ zu fühlen, passen auch ständige Behauptungen, die Ungleichheit wäre „vom Westen“ gewollt. So versuchen mir Polit-Heißsporne in den neuen Bundesländern gelegentlich klarzumachen, dass „der Westen“ im Osten erst einmal „gleiche Lebensverhältnisse“ schaffen müsse.

Unterschiede - zu wenig Arbeitskräfte und "keine Jobs"

Es gibt ohne jeden Zweifel „im Osten“ Orte, in denen es keine Arbeit gibt. Derzeit wartet man allerdings bis zu einem halben Jahr auf Handwerker – auch bei einfachen Handwerksarbeiten. Und das in einer Gegend, die zu den eher „abgehängten“ Gebieten Thüringens zählt.

Geh zurück, wo du hergekommen bist …

Der US-amerikanische Präsident hat einen bösen Satz benutzt, der grob vereinfacht heißt: Kritiker(innen) der Obrigkeit oder der gesellschaftlichen Verhältnisse sollten doch bitte das Land verlassen.

In den 1950ern - Hass gegen Aufsteiger und Kritiker

Damit ist er nicht allein. In den 1950er Jahre war es sehr üblich, Frauen, die in der Gesellschaft aufstiegen, an ihre niedere Herkunft zu erinnern, zumal, wenn sie Kritik an der bürgerlichen Verlogenheit übten. Als die 1968er auf die Straße gingen, wurde ihnen barsch geantwortet, sie sollten doch dahin gehen, wo es den Sozialismus gäbe - in die DDR.

Abschottung im Schwabenland in den 1970ern

Das ist längst nicht alles: Als ich in die Schwabenmetropole hineinplatzte, machte man mir erst mal deutlich klar, dass ich dort eigentlich nichts zu suchen hätte. Das konnte nur auf „Fremdenhass“ beruhen, denn zu diesem Zeitpunkt suchte das Schwabenland nach Arbeitskräften aus anderen Regionen. Immerhin war ich Deutscher – Italienern trat man damals mit noch mehr Vorbehalten gegenüber. Später legte sich diese Haltung – und in Südbaden habe ich solche Auswüchse später ebenso wenig erlebt wie während meiner zahlreichen Auslandsreisen.

Erlebnis in Thüringen 2019

Doch nun, vor ein paar Tagen, wagte ich, Kritik an gewissen nationalistischen Einstellungen der Bevölkerung Thüringens zu üben. Die Antwort: „Dann gehe doch wieder dahin zurück, wo du hergekommen bist.“ Gemeint war natürlich: in den Westen. Der Witz daran: Meine Familie hat einen langjährigen Thüringer Stammbaum.

Verkappte Nationalisten sind überall gleich. Sie begreifen nicht, dass wir alle Impulse der vermeintlich „anderen“ benötigen, um den Fortschritt zu ermöglichen.

Ehre, Scham und Schande bei den ewig Gestrigen

Den Begriff einer „ehrbaren Frau“ habe ich schon lange nicht mehr gehört. Auch die Erläuterung findet sich nirgendwo: Es handelt sich um eine Dame, „der man nichts nachsagen kann.“ Wer das Wort „Nachsagen“ nicht mehr kennt: Es heißt „Man kann die Person nicht verdächtigen.“

Die Dame ohne Ehre soll vor Scham in den Boden versinken?

Wessen würde man sie denn verdächtigen? Eine „ehrbare Jungfer“ hatte keinen Geschlechtsverkehr, ja sogar der Gedanke daran hätte sie so erröten lassen, dass sie glaubte, vor Scham im Boden versinken zu müssen. Eine „ehrbare Dame“ führte eine gute Ehe, was letztlich hieß, dass sie weder an Affären dachte noch solche aufzunehmen versuchte.

Kurz: Die ehrbare Frau ist eine Frau von Stand, der man keinerlei Abweichungen vom Weg der Tugend zutraut.

Was wäre sie, wenn sie den Weg der Tugend, der Ehre und der Sittsamkeit verließe? Sie gerät in Schande, muss Schimpf und Schade tragen und sich wegen der Schande verkriechen, obgleich ihr Ruf schon genügend geschändet ist. Und un lasse ich die Katze aus dem Sack und zitiere aus dem "Standard":

Die Gegenbegriffe zu Ehre sind Scham und Schande: Ein Verstoß gegen die soziale Ordnung wird von der Gemeinschaft als Schande empfunden, worüber der Einzelne Scham empfindet. Er ist damit als ganzer Mensch infrage gestellt.


Ob geschändet oder in Schande geraten: Die Frau ist „unten durch“. Sie muss den Kopf senken und sich schämen.

Vertikal, horizontal: Wenn die Schande über dich kommt

Der Artikel, aus dem ich zitiere, behauptet nun, es gäbe eine „horizontale Ehre“ und eine „vertikal Ehre“, spricht aber nicht über die Schande.

Das versuche ich nun mal mit der Begrifflichkeit des Autors, wobei ich „Ehre“ gegen „Schande“ eintausche:

Die horizontale Schande ergibt sich aus der Verachtung Einzelner, die zwar zur Gruppe gehören, deren man sich jedoch schämt – vertikal betrachtet, trifft die Schande besonders liederliche Person, die durch ihr Verhalten die ganze Gruppe geschädigt haben.

Lassen wir den Autor noch ein wenig über seine Meinung zur Ehre fabulieren, von deren Richtigkeit er offenkundig überzeugter ist:

Ehre ist … ein Teil eines gesellschaftlichen Ordnungssystems, das den Menschen primär als ein soziales Wesen begreift, das bestimmte Rollenerwartungen zu erfüllen und seine eigenen Interessen jenen der Gruppe unterzuordnen hat. Eine solche moralische Ordnung baut auf Grundwerte wie Zugehörigkeit, Loyalität, Gehorsam, Pflichtbewusstsein, Autorität, Ehrfurcht, Reinheit und starken sozialen Zusammenhalt.


Der Meinung des Autors die Ehre zu geben oder auch nur Respekt zu zollen, fällt mir schwer. Mich erinnert seine Meinung an Schriften und Lexika aus dem 18. Und 19. Jahrhundert, wobei Meyers Lexikon sogar etwas aufgeklärter aussagt:

Dabei ist zwischen der allgemein menschlichen und der bürgerlichen Ehre zu unterscheiden. Erstere ist diejenige Würde und Achtung, welche dem Menschen als solchem zukommt und nach den Grundsätzen der Moral von ihm einerseits beachtet werden muss und anderseits beansprucht werden kann. In diesem Sinn pflegen schon die mittelalterlichen Rechtsbücher namentlich von der weiblichen Ehre zu sprechen.


Das Rad der Geschichte zurückzudrehen, die Frauen erneut zu disziplinieren und ihnen ihre Plätze zuzuweisen … das mag ja viele Menschen begeistern, die im „Gestern und Damals“ leben. Mich befremdet es.

Alle Zitate außer Meyers: "Der Standard"

Erziehung

Ich höre immer wieder Sätze wie „ich habe meine Kinder so erzogen, dass …“ oder „Bei uns gab es solche Eskapaden der Kinder nicht, es herrschten klare Verhältnisse“.

Die meisten, die so reden, sind „stolze Eltern“ – und sie überschätzen sich in ihren Aussagen bei Weitem. Ich höre selten „ich habe meine Kinder vor allem geliebt“ oder „ich habe ihnen vorgelebt, was Freiheit und Demokratie bedeutet.“

Menschen entwickeln sich wegen der Erziehung, trotz der Erziehung und ohne dass die Erziehung sie stark einseitig beeinflusst. Doch jedes Kind nimmt die Atmosphäre auf, in der etwas gesagt wird - und wie in unterschiedlichen Situationen gehandelt wird.

Und um es ganz unprätentiös zu sagen: Ich verachte die Menschen, die damit prahlen, wie streng und strikt sie ihre Kinder „erzogen“ haben.