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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Und immer wieder: Ach schreiben Sie doch für einen Cent

Manche Contentschreiber sind so dusselig, für einen Cent pro Wort zu schreiben. Das bedeutet beispielsweise, für einen Blogbeitrag drei Euro zu bekommen. Und manche dieser Pseudo-Texter konkurrieren noch darum, diesen Cent zu verdienen.

Gute Texte für gutes Geld

Ich kenne mindestens drei Seiten – die Suche nach guten Autoren, die innovative Texte schreiben können. Die wollen richtig Geld, und das sollen sie auch bekommen – nur leider nicht von mir, weil ich es mir nicht leisten kann. Diejenigen, die Content suchen, haben aber zumeist Geld im Überfluss.

Abgekupferte Texte von Schreibhuren?

Dann die Seite des Webseitenbetreibers, dem „sorgfältig recherchierte, niveauvolle Fremdbeiträge“ angeboten werden. Die sind nicht einmal schlecht gestaltet, weil sie aus Zeitungsartikeln „umgeschrieben“ wurden. Ich finde: Ein Cent pro Wort ist auch dafür ein Hungerlohn – am schlimmsten ist aber, dass man sich damit zur Schreibhure macht. Die Verlierer ist der Contentschreiber, der dafür seine drei Euro kassiert, der Gewinner der Webseitenbetreiber, der dafür Beträge von ungefähr 50 Euro erhält, wobei auch noch Content-Vermittler und Werbeagenturen mitverdienen.

Original-Content nicht unter sechs Cent - und das ist ein Hungerlohn

Die dritte Seite ist der Contentschreiber selbst. Original-Content fällt nicht vom Himmel und muss zumeist sorgfältige recherchiert oder nachrecherchiert werden. Dafür benötigen Sie ungefähr eine Stunde pro Artikel, wenn Sie Glück haben, oft aber wesentlich länger. Und in der Stunde wollen Sie wenigstens 25 Euro verdienen, damit es sich halbwegs lohnt – das ist ungefähr die Hälfte dessen, was ein Malermeister im Osten berechnen würde). Solche Einkommen bedingen einen Preis von wenigstens sechs Cent pro Wort, und wenn Sie auf die Recherche verzichten, auch mal vier Cent.

Bei einem Cent geht es nicht. Dann sind ein Euro hundert Wörter, und um auf 100 Euro pro Tag zu kommen, müssen Sie also 10.000 Wörter pro Tag produzieren – Tag für Tag. Und um dem Fass noch den Boden herauszuhauen, werden Beispielrechnungen veröffentlicht, dass man durchaus 40 Euro pro Stunde verdienen kann, weil 2.000 Wörter zu zwei Cent ja ein Klacks sind.

Wenn Sie so etwas das eine Weile getan haben, landen Sie vermutlich in der Klapse. Oder Sie entschließen sich, endlich einen anständigen Beruf zu ergreifen. Auf Dauer schreibt niemand vernünftige, vielleicht gar noch wirksame und sinnvolle Texte, wenn er gezwungen ist, 2.000 Wörter pro Stunde zu schreiben – und dies jede Stunde.

Was eigentlich bezahlt werden müsste?

Bei sehr aufwendigen Projekten müssen normalerweise Stundensätze bezahlt werden, und nicht die popeligen 25 Euro, die ich angesetzt habe, sondern gegen 50 Euro Minimum. Da geistige Arbeit normalerweise einen höheren Lohn bedingt als manuelle Arbeit, ist auch dies an sich noch viel zu wenig.(Laut Fachverband Freier Werbetexter sogar noch mehr). Aus meiner Sicht ist ein Betrag von sechs Cent pro Wort angemessen, doch werden auch deutlich höhere Honorare pro Wort angegeben (10 bis 12 Cent).

Wie ich schon sagte – niemand sollte für den berühmten „einen Cent“ schreiben, und in der Tat wird niemand dazu gezwungen.

Hinweis in eignener Sache: Ich selbst bin nicht mehr betroffen, weil ich nur zu meinen Bedingungen oder zum ausgehandelten Preis schreibe oder gar nicht. Und falls es mir Freude bereitet, schreibe ich sogar hin und wieder kostenlos, denn es gibt sinnvolle Projekte, die nicht einmal den einen Cent zahlen können.

Satirisch bei Papillon.
Fakten bei fastbill.

Normalität – vorerst

Heute atme ich ein wenig auf. Auch, wenn mir die Vorwahl-Berichte weder einen Cent in die Kasse gespült haben, noch zu meinem Ansehen beigetragen haben.

Aber es gibt mir Gelegenheit, einmal zu sagen, dass es Deutschland und den Deutschen so gut geht wie selten zuvor. Und wenn mich etwas erfreut, dann vor allem, dass es diesem Land und seinen Bürgern gut geht. Wenn andere Millionen mit ein bisschen elektronischem Wind verdienen – lass sie doch. Ich leide nicht unter der „deutschen Krankheit“, dem „Neidhammelismus“.

Zeit, sich auf meine Kernkompetenzen zu besinnen: Schreiben für andere. Vielleicht auch endlich mal eigene Kurzgeschichten zu schreiben.

Auf jedem Gebiet, das Sie auf dieser Welt anpacken, gibt es Leute, die es „auch“ können, und auch solche, die es besser können. Und – es gibt auch soclhe, die gar nichts können, aber dennoch Erfolg haben.

Sehen sie, da muss ich noch dies loswerden: Mir sind Leute, die nichts können, aber viel wollen und dabei Erfolg haben, lieber als solche, die gar nicht erst etwas wollen und dabei ganz selbstverständlich keinen Erfolg haben.

Verleger, mir kommen die Tränen

Ein paar Krokodilstränen für die notleidenden Verleger gefällig? Jene Leute, die viel zu spät ins Internet eingestiegen sind? Und auf deren Seiten wir regelmäßig mit Monster-Anzeigen zugemüllt werden oder mit Befragungen genervt? Die große, aber nichtssagende Bilder zu belanglosen Texten veröffentlichen? Mit Journalisten, die sich die Recherche sparen und alles glauben, was ihnen aus der Wissenschaft zugespielt wird? Die bewusst irreführende Überschriften verwenden, damit jemand ihre nahezu inhaltslosen Artikel liest?

Nein – keine Träne für diese Versager.

Stattdessen ein Widerspruch: Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, die Lobby der Presse, erklärte gerade durch sein Sprachrohr Mathias Döpfner, das öffentlich-rechtliche Fernsehen verbreite

eine mit öffentlich-rechtlichen Geldern finanzierte Flut textbasierter Gratis-Angebote, nichts anderes als eine gebührenfinanzierte digitale Staatspresse.


Wer sich regelmäßig bei der „Deutschen Welle“, bei der ARD oder beim ZDF informiert, weiß, dass die nicht so ist. Lediglich wer eine App abonniert hat, so wie ich, bekommt wirklich zutreffende Informationen in kurzer, prägnanter Form – und das ist mir bei Weitem lieber als die mit Populismus gespickten Webseiten vieler Verleger. Und ja, ich halte auch noch eine Tageszeitung fürs Regionale. Von einer „gebührenfinanzierten digitalen Staatspresse“ zu sprechen, zeugt von absoluter, unverschämter Instinktlosigkeit, die nicht einmal wir Leser dulden sollten, sondern kräftig dagegenhalten. Zumal Herr Döpfner recht gut weiß, dass es sich nicht um eine Staatspresse handelt.

Schade, dass auch viele Blogger total „ins Kommerzielle“ abgewandert sind. Denn Blogs bieten weiterhin die Möglichkeit, Tatsachen und Meinungen zu verbreiten, die weder von den Zeitungsverlegern noch von den öffentlich-rechtlichen Medien behandelt werden.

Zitat: Abendblatt.

Voll dahinter stehen?

Journalisten erkennt man daran, dass sie stets die Distanz zu den Themen wahren, über die sie schreiben, selbst dann, wenn sie sich im Prinzip dafür engagieren könnten.

Diese Distanz ist nötig, spricht aber offenbar die Leserinnen und Leser vieler Neuer Medien nicht an. Gerade hörte ich, dass für ein Magazin Autorinnen und Autoren gesucht werden, die Ihre Themen verinnerlichen oder diese zu ihren Lebensinhalten gemacht haben.

Sicher – der Unterhaltungswert wird dann größer – aber der Informationswert deutlich geringer. Ich muss und kann damit leben, weil ich als Leser solcher Magazine nicht infrage komme.

Aber ich frage mich schon, ob Selbst-Betroffenheit und Lifestyle ausreichen, um Informationen zu transportieren.