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Die Kunst der Zeichensetzung – ganz profan

Die Kunst der Zeichensetzung – ganz profan

Zunächst das Edle

Ein Schriftsteller wurde einmal gefragt, was er denn so den ganzen Tag getan habe.

Das will ich ihnen gerne sagen. Ich habe sehr intensiv gearbeitet. Heute Morgen habe ich im 16. Kapitel ein Komma herausgestrichen, und gegen Nachmittag habe ich es – nach reiflicher Überlegung – wieder eingesetzt.


Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, aber es ist typisch für das Missverständnis, das Menschen über Schriftsteller haben: Sie schreiben, also arbeiten sie. Aber eigentlich arbeiten sie auch, wenn sie nicht schreiben - im Gegensatz zu Lohnschreibern, die nur schreiben, damit sie Geld verdienen.

Nun das Profane

Sie kennen sicher diesen Herrenwitz über die Bedeutung der Zeichensetzung:

Er will sie nicht.
Er will, sie nicht.


Das Komma ändert alles. Es hätte auch ein Semikolon oder ein Bindestrich sein können.

Nun die Findelsatire:

Auf einem Blog für Blogger fand ich folgende Anzeige:

«Blog zum Thema Zwillinge günstig abzugeben»

Es war wohl so gemeint:

«Blog zum Thema „Zwillinge“ günstig abzugeben. »

Und nicht so:

«Blog zum Thema „Zwillinge günstig abzugeben“»

Das Ungeheuerliche am Wunsch nach einem Geheuer

Was uns geheuer ist, ist uns an sich lieb, was so weit geht, dass selbst die Gunst der Damen als „geheuer“ bezeichnet wurde. Man sagte „wild“ und „unzähmbar“ für „ungeheuer“, und „zahm“ oder „zugänglich“ für geheuer.

Ach, wie geheuer ist mir am Abend

Wenn uns heute jemand oder ein Umstand geheuer wäre, so würde uns das befremden, wir wissen aber noch recht gut, was „nicht geheuer“ ist, und würden wahrscheinlich sagen, dies sei eine eher dichterische Formulierung. Was uns „nicht geheuer“ ist, befremdet uns, und wir haben Zweifel daran. Wir wünschen uns aber nicht, dass Menschen, Umstände, Tiere oder Verträge „geheuer“ sind. Das Wort ist einfach verschwunden.

Ungeheuerlich!

Ungeheuerlich, nicht wahr? Das hieße dann eigentlich befremdlich, meint aber eher, dass es die üblichen Grenzen überschreitet. Da musste man also „Ungeheuerliches leisten“, um ans Ziel zu kommen, oder man findet es ungeheuerlich, dass eine Dame von 50 sich einen 18-jährigen Lover hält. Das heißt dann eigentlich „unziemlich“, aber das Wort gibt’s ja auch fast nicht mehr.

Das Ungeheuer in Mensch und Tier

Ja, und dann kam das Ungeheuer, auf ursprünglich in der normalen Ableitung ein Schicksalschlag, der wild und dreist ins Leben hineinschlägt. Aus ihm wurde das Ungeheuer in der Gestalt des Tiers und des Menschen.

Ach, Sie wünschen sich ein liebevolles Geheuer? Wer wünschte es sich nicht? Aber Sie suchen vergeblich, denn es gibt keine Geheuer auf dieser Welt – es sei denn, sie gäbe es doch.