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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Eine Nacht auf dem kahlen Berge – und der Kulturbetrieb

Beinahe hätte ich, da ich stets mit gesunder Naivität ins Konzert gehe, etwas nicht erkannt. Denn möglicherweise habe ich ein ein Musikstück gehört, das in dieser Form noch nie aufgeführt wurde.

Wenn ich jetzt sage, es war „Die Nacht auf dem kahlen Berge“, dann wird mancher sagen „ach so, dass haben wir doch auf CD …“ und ich kann mich sogar dunkel erinnern, dass es mein Vater auf Vinyl hatte. Aber das ist nicht das Stück, das ich gehört habe. Denn so, wie sie Modest Mussorgski in Noten umsetzte, wurde diese sinfonische Dichtung nur selten zu Gehör gebracht – ich muss das wohl glauben, und fand auch keine Information, die dagegen sprach. Auch über die ursprüngliche Orchestrierung war wenig zu erfahren. Jedenfalls hörte ich die Ursprungsfassung in einer eindrucksvollen Aufführung des Gewandhausorchesters Leipzig.

Erstaunlich, wie kleinlaut die ansonsten wortstarken Kritiker werden, wenn sie nur wenig oder gar keine Vergleichsmöglichkeiten haben. Beklagt wurde vor allem, dass der blutjunge Dirigent Jakub Hrůša so vehement dirigierte, dass sein ganzer Körper sich ständig in heftigen Bewegungen befand. Warum sollte er nicht? Es ist ein erregendes Stück mit einem teuflischen Thema. Aber da zeigt sich ein Haken bei Konzertkritikern wie auch bei Besuchern: Musik erzeugt Emotionen, und das soll auch so sein. Doch viele Kritiker und Besucher sehen Begeisterung eher als ein Hindernis für den Genuss sogenannter „klassischer Musik“ an.

Wie denn überhaupt für alle Konzerte in Respekt einflößenden Sälen zu vermelden wäre: Das Publikum hört unbewegt zu, wenn die Musik wogt und schrillt und knallt, sodass Gefühle aller Art aufkommen. Findet die Begeisterung etwa nur hinter der Hirnschale statt? Oder ist dem Publikum an sich wurscht, was gegeben wir: Hauptsache, man lässt sich ab und an bei kulturellen Ereignissen sehen?

Peter Tschaikowski - das 1. Konzert für Klavier und Orchester

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Ab und an geh ich ins Konzert. Ich habe das großartige Klavierkonzert No. 1 von Peter Tschaikowski schon oft gehört, unter anderem auch mit dem großartigen Virtuosen Lang Lang. Diesmal saß Kirill Gerstein am Flügel, dazu das Gewandhausorchester, Leipzig, das diesmal von dem jungen Dirigenten Jakub Hrůša geleitet wurde.

Wie es bei der Kritik ankam, weiß ich noch nicht, aber für mich sind es immer wieder die Wechsel zwischen der Urkraft und der Sinnlichkeit dieses Konzerts (ich hörte es in der Fassung von 1879) – und das reicht mir völlig aus.

Ich konnte immer schon auf die Konzertkritik, Theaterkritik und Kunstkritik verzichten. Wenn mir etwas gefällt, dann gefällt es mir eben. Und wenn nicht, bringen mich keine 10 Pferde dazu, genau zuzuhören oder genau hinzusehen.

Das Leben der Piaf in Tanz und Ton



(Das Video stammt aus dem Stuttgarter Schauspielhaus, ich habe keine aktuelleren Bilder gefunden).

Altenburg ist tiefste Provinz, aber man hält die Kultur aufrecht. Gemeinsam mit Gera leistet man sich ein Theater, und erstaunlicherweise bringt man sowohl Qualität auf die Bühne wie auch Publikum ins Haus.

Piaf – La vie en rose“ –ist sicher eine der gelungensten Inszenierungen des modernen Tanztheaters in Altenburg. Es geht um die Piaf, zu Lebzeiten und bis heute eine Legende. Nun geht die Faszination der Piaf von ihrer Stimme aus – und da hat man sich etwas Geniales ausgedacht: Man lässt nicht nur tanzen, sondern auch singen. Diesen Part übernimmt die Sängerin und Schauspielerin Vasiliki Roussi, und sie tut es, als würde ihr Leben davon abhängen. Sagte man der Piaf nach, alles, was sie sänge, sei sehr persönlich und basiere auf enttäuschter Liebe, so kann man von ihrer Interpretin in Altenburg und Gera sagen, dass sie all dies bewundernswert nachahmt, ja, möglicherweise verinnerlicht.

Die Sängerin einerseits – die Tänzerin andererseits. Alina Dogodinai ist das tänzerische Gegenstück, sozusagen der zweite Teil einer Persönlichkeit, die in diesem Ballett doppeldeutig als „öffentliche Person“ und „private Person“ dargestellt wird.

Diese Trennung bietet viel für Auge und Ohr, doch wirkt das Private der Piaf einerseits überzeichnet, andererseits ausgesprochen verwischt. Der Zuschauer merkt, dass diese Frau leidet – an irgendetwas, an irgendwem. Die Männer werden nur versuchsweise aufgereiht, vom Leid bliebt nur der Alkohol- und Drogenkonsum, der in Verzweiflung und Zusammenbrüchen endet. Nun gut, theatralisch zu wirken, gehört eben zum Theater.

Welche Jazz-Alben stehen heute an der Spitze?


Ganz oben auf der Liste der besten Jazz-Alben stehen drei Giganten des modernen Jazz: Miles Davis, John Coltrane und Charles Mingus.

Hätten Sie dies vor 40 Jahren prophezeit, hätte Ihnen niemand geglaubt. Zwar war der innovative Trompeter Miles Davis schon immer beliebt, aber der Saxofonist John Coltrane galt als schwierig und der Bassist Charles Mingus galt als Rebell ohne Chancen.

Ich bezieh mich hier nur auf eine Aufstellung - es gibt mehr davon, und nicht alle sind glaubwürdig.

Von Miles Davis wurde nicht nur das eher konservative Album „Kind of Blue“ gekürt (Platz eins) sondern auch das innovative, faszinierende Album „Bitches Brew“ (Platz sechs). Von John Coltrane nicht nur das emotional und musikalisch faszinierende Album „A Love Supreme“ (Platz zwei) sondern auch das konservativere „Giant Steps“ (Platz sieben). Von Charles Mingus nicht nur das an Traditionen anknüpfende und dennoch moderne „Ah Um!“, sondern auch das interessante „The Black Saint and The Sinners Lady“ (Platz 11).

Keine Frage – der moderne Jazz hat eindeutig gewonnen – und seine Interpreten auch. Das beweist nicht nur die Aufstellung, die ich als Referenz genommen habe, sondern nahezu jede andere. Immer wieder hören wir die Namen der Pioniere des modernen Jazz: Dabei mögen Charly Parker oder Eric Dolphy wegen ihrer allzu kurzen Schaffenszeit etwas in den Hintergrund geraten. Aber insgesamt gesehen sind es die Giganten und Erneuerer des modernen Jazz, die im Vordergrund stehen.

Und da kann ich nur sagen: welch ein Glück für uns, dass die Populisten langfristig nicht die Oberhand gewannen – obgleich auch sie uns natürlich immer wieder erfreut haben. Und sogar „Modern und populär“ ging zusammen: ganz typisch bei Nat und Julian Adderley.

Video: Mingus war ein begnadeter Komponist, dessen Stücke heute noch von vielen Jazzmusikern interpretiert werden.