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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Irrtum der Psychologie: "die Persönlichkeit" vollständig beschreiben

Eine der an den weitesten verbreiteten Irrtümern besteht darin, dass die Psychologie die menschliche Psyche vollständig erhellen kann. Dazu gehört in erweitertem Sinne auch, die Persönlichkeit eindeutig beschreiben zu können.

Das Modell, mit dem heute am häufigste versucht wird, die Persönlichkeit zu erfassen, wurde als „Big Five“ bekannt. Das ursprüngliche Modell wurde ansatzweise 1961 entwickelt, konnte sich aber nicht durchsetzen. Erst 1990 wurde es als „Fünf-Faktoren-Modell“ bekanntgemacht und genießt unter Psychologen große Anerkennung. Hauptkriterium ist - wie bei allen anderen Modellen zuvor und danach – die Extraversion/Introversion, gefolgt von vier weiteren Kriterien.

Die durch und durch psychologisch geprägte Literatur zum Thema bemüht sich nach Kräften, solche Aussagen zu verbreiten: (1)

Die Testgütekriterien sind für die Langversion (NEO-PI-R) und die Kurzversion (NEO-FFI) in zahlreichen Studien erforscht worden, sodass die Verfahren als objektiv, zuverlässig und gültig angesehen werden.

Wenn die Sichtweise begrenzt ist, "stimmen" auch Aussagen über die Persönlichkeit

Das stimmt, wenn man die relativ bescheidenen Kriterien zugrunde legt und zusätzlich unterstellt, dass „die Persönlichkeit“ durchgängig stabil ist. Tatsächlich handeln Menschen aber nicht in allen Situationen und allen Lebensrollen gleich. Zudem besteht „die Persönlichkeit“ nicht ausschließlich aus den Segmenten, die abgefragt werden. Man kann auch sagen: Alles, was beim Fünffaktorenmodell (Big Five) herauskommt, ist gültig, solange keine zusätzlichen Kriterien einfließen. Wer jetzt noch immer an das Modell glaubt: Das ist im Alltag so gut wie nie der Fall.

Beispiel Online-Lexikon: Kritik wird nicht ausreichend berücksichtigt

Die Macht, mit der das Modell in den Vordergrund gedrängt wird, wird insbesondere im Deutschen Wikipedia sichtbar. Die Kritik wird in einem lapidaren Satz abgetan (1):

Kritiker des Modells bezweifeln, dass es in der Lage ist, individuelle Persönlichkeiten adäquat zu beschreiben.

Wie so oft, empfiehlt sich, die englische Version (2) von Wikipedia zurate zu ziehen, die ohnehin viel ausführlicher beschreibt, wozu das Modell genutzt werden kann.

Das Positive: keine Etikettierung oder Entwertung durch die "Big Five"

Auf der anderen Seite ist das Modell für einige Bereich durchaus geeignet, zum Beispiel bei der Auswahl von Personal – und zwar immer dann, wenn ein besonderes Verhalten gefordert wird. Dazu könnte man noch erwähnen, dass die Big Five ohnehin nicht „die Persönlichkeit“ messen, sondern ausschließlich das Verhalten, welches die Person an den Tag legt.

Immerhin hat das Modell einen Vorteil: Es ordnet den Menschen nicht in ein „Vierbuchstabenschema“ ein, wie es ein anderes Verfahren versucht. Und insofern besteht bei denen „Big Five“ immerhin eine gewisse Hoffnung, nicht abgestempelt und entwertet zu werden.

Das Fazit - überbewertet, aber nicht nutzlos

Die „Big Five“ werden mit großer Wahrscheinlichkeit überbewertet. In Wahrheit entsprechen sie einem stark vereinfachten, möglicherweise sogar sehr eingeschränktem Menschenbild. Das kann ein Vorteil bei einfachen Aufgaben sein, doch ist es zweifelhaft, ob sich die Person (also der Kern der Persönlichkeit) damit ausreichend oder zuverlässig beschreiben lässt.

(1) Wikipedia (deutsch)
(2) Wikipedia (englisch)

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